Vor den vorherigen Wahlen konnte ich für mich stets eine Präferenz ermitteln, welche Koalition ich ein kleines Stück weniger beschissen fände. Aber nicht einmal das ist mir unter aktuellen Gegebenheiten möglich. Was Rot-Rot-Grün an dezent besserer Innenpolitik vermuten lassen könnte, reißt diese Konstellation in der Außenpolitik mit dem Arsch wieder ein. Anbiederung an Russland und völlig unkritische Geschäftemacherei mit dem iranischen Mullah-Regime wären Grundpfeiler „sozialdemokratischer“ Außenpolitik – und die hat damit nur Fundamentalopposition verdient.
Außerdem: Ein Politiker, der sich bemüßigt fühlt, in der Knesset dem klassisch antisemitischen Brunnenvergifter-Stereotyp den Mund zu reden oder die Möglichkeit, schöne Frauen zu treffen, als seine Motivation bezeichnet, den aussichtslosen Wahlkampf weiter zu führen, ist schlicht und ergreifend keines Amtes würdig. Außer dem des SPD-Vorsitzenden.
Die Grünen fallen in der aktuellen Verfassung auch aus jeder Überlegung heraus. Und da muss ich noch nicht mal mit Boris Palmer oder Winfried Kretschmann kommen – Deppen gibt es überall. Weder mit Personal noch mit Programm wird der Versuch unternommen, den Eindruck einer linken Partei zu erwecken. Zudem ist letztlich eine Regierungsbeteiligung nicht ausgeschlossen – und ich kann unter gegebenen Programmen keiner Partei allen Ernstes einen Regierungsauftrag erteilen.<
CDU FDP AfD Muss ich nichts zu erklären.
Zwischenzeitlich hatte ich mich mit der Idee angefreundet, die Linke zu wählen. Eine Regierungsbeteiligung ist bei den aktuellen Umfragewerten ausgeschlossen – der Schaden wäre also überschaubar. Gleichzeitig würde innerhalb der Partei der Berliner Landesverband gestärkt, der sicherlich die Partei in eine mir genehme Richtung bewegen würde. Einzig: das Wahlergebnis der Linken wird gut sein, eine kritische Wahlnachlese wird es nicht in entscheidendem Ausmaß geben. Eine Stimme für die Linke als eine gegen Wagenknecht zu interpretieren, kann zwar individuelle Überlegung sein – für Außenstehende ist das aber nicht erkennbar.
Und Unterstützung für eine Spitzenkandidatin, die kurz vor der Wahl noch einmal signalisiert, keine volle Breitseite gegen die AfD fahren zu wollen und deren Kandidat*innen in Amt und Würden wählen zu wollen, sofern sie denn nur nicht dem „rechten“ Flügel angehören würden – danke auch!
Last but not least: wer einer jungen Genossin derart kaltblütig die dringend notwendige Solidarität entzieht, wer dem rechten Mob gar noch in der Begründung folgt, der schließt die, in der Rhetorik schon geübte, Querfront auch in der Praxis. Solidarität ist eine Waffe – vor allem wenn man sie vermissen lässt.
Damit bliebe die letzte Option: eine der kleinen Parteien zu wählen. Warum ich das nicht tun werde – letztlich also ungültig wähle – und trotzdem noch ganz gut schlafen kann, könnt ihr hier nachlesen.
Dass ich am 24.9. dennoch nicht einfach zu Hause bleibe, liegt an Canan Bayram, der Grünen-Direktkandidatin in Friedrichshain-Kreuzberg. Derzeit wird parteiintern versucht ihre Kandidatur zu torpedieren. Lieber das einzige grüne Direktmandat in Deutschland verlieren, als eine unbequeme linke Frau im Bundestag sitzen zu haben, die nicht nur auf Demos geht, auf denen die Parteimehrheit gerne einen Fähnchen-schwenkenden grünen Block sieht. Auch wenn ich sicher in zahlreichen Punkten anderer Meinung bin als Canan Bayram, finde ich, dass sie Solidarität verdient hat. Als i-Tüpfelchen würde eventuell sogar Renate Künast durch Bayrams Einzug aus dem Bundestag rutschen. Und müsste ich zwischen diesen beiden Frauen als Bundestagsabgeordnete entscheiden, würde ich keine Sekunde zögern – auch wenn Bayram ein echter Verlust für das Berliner AGH wäre…